Hurley 800 “Big Liz”: Kompaktkreuzer für die Weltreise (2024)

Es sind diese Tage: zwölf Knoten Wind, Sonne, angenehme Wärme. Darum segelt man. In diesem Fall markiert der Probeschlag obendrein den ebenso endgültigen wie glücklichen Abschluss eines sehr ausführlichen Refits. Der geschah im Garten in Düsseldorf unter einem Zelt und großer Anteilnahme der toleranten Nachbarschaft.

Eigner Sven Messner war sich danach nicht sicher, ob er die lange Strecke bis in die Niederlande per Trailer zurücklegen wollte. Das Leergewicht betrage ja so um die drei Tonnen, und es sei schließlich das ein oder andere zusätzlich an Bord. Also wässert Messner die Hurley im Hafen in Düsseldorf. Von dort geht es per Einzylinderdiesel den Rhein und die IJssel zu Tal gen Holland.

Alles geht gut, schließlich sei der Bukh runderneuert und eigentlich ja ohnehin unzerstörbar. Hinter der letzten Brücke kommt dann der Mast an Bord. Dann noch die neuen Segel und, und, und. Man kennt es. Schließlich die Info: Alles funktioniert, das Schiff ist bereit für eine Ausfahrt. Und dann so ein Wetter. Toll.

Die Hurley 800 hat 44 Prozent Ballast

Auf dem Johan-Friso-Kanal fühlt sie sich wohl. Die Höhe geht in Ordnung, durch gelegentliches Gebüsch am Ufer ist der Wind leicht böig. Mit der Gelassenheit einer deutlich größeren Yacht steckt die Hurley dies weg, spurtreu und mit dem richtigen Maß an Ruderdruck. Kein Wunder, sind doch 1,4 von den drei Tonnen Gesamtgewicht Ballast. Knapp 44 Prozent sind üppig. Der Ballast ist übrigens von innen in den fest an den Rumpf anlaminierten Kiel eingelegt und sodann mit Harz übergossen worden. Das ist ein sehr solides und langlebiges Verfahren.

Meistgelesene Artikel

Der hohe Ballastanteil passt gut zu den weiteren Eigenschaften des Schiffes: Die Fallen sind alle ins co*ckpit umgelenkt, was seinerseits mit sehr hohen Sülls eingerahmt ist. Das gibt ein enormes Gefühl der Sicherheit für ein acht Meter langes Boot. Gleichzeitig fährt die Yacht aber auch, als sei sie eben „nur“ ein Acht-Meter-Boot. Denn auf dem engen Kanal ist sie handlich, nie schwierig, springt auch mal gut an, was vielleicht auch an den gut passenden, nagelneuen Tüchern liegt, und fährt eine ordentliche Höhe. Diese Handlichkeit gefällt und nimmt der ganzen Segelei die Ernsthaftigkeit. Das macht einfach Spaß – buchstäblich. Das Thema Segeln auf der Hurley lässt sich recht kurz zusammenfassen: simpel, sicher und behände.

Verlagssonderveröffentlichung

Was aber macht gerade diese Hurley 800 zu einem besonderen Boot? Ganz klar: der Eigner. Der hat mit seiner „Liz“ schon eine ganze Weile verbracht, allerdings nur mit Arbeit. Und er hat noch viel mit ihr vor. Nachdem er seine erste Hurley, eine 22, fertig refittet hat, stirbt seine Frau. Das Boot ist voller Erinnerungen, es muss weg. Die neue, eine 800, ist im Vergleich „big“. Sie kommt in recht gutem Zustand, für seine Pläne aber muss vieles anders. Messner plant. Das sei ohnehin das A und O eines Refits – die Planung. Er misst und tüftelt teils nächtelang, bis in der Theorie alles passt. Dann kommt sein handwerkliches Geschick ins Spiel. Ein Beispiel: In der Pantry gibt es eine Art Apothekerschrank, ausziehbar. Nicht nur ist der um die Tupperdosen für Müsli und Nudeln he­rum konstruiert, er geht auch nur Millimeter an dem Handlauf vor dem Kocher vorbei.

Hurley 800: ein Gebrauchtboottipp

Hurley 800 “Big Liz”: Kompaktkreuzer für die Weltreise (7)Foto: YACHT-ArchivAus der Anfangszeit: eine der ersten Hurleys aus Dänemark, damals noch ohne den typischen blauen Streifen und mit dem geraden Spiegel. Der war später anders geformt, sodass sie an Deck 8,30 Meter lang wurde

Solide, gut segelnd, sicher, separater WC-Raum und noch trailerbar: Das ist gleichermaßen selten wie beliebt. Die meisten Gebrauchtboote werden in den Niederlanden gehandelt, kosten dort zwischen 15.000 und 25.000 Euro. Der Einzylinder-Bukh deutet auf ein Schiff aus der dänischen Werft hin. Er gilt als sehr robust, Ersatzteile sind verfügbar. In Holland gebaute Schiffe hatten meist einen Vetus-Zweizylinder. Spätere Modelle mit rundem Spiegel hießen Hurley 830; der Rumpf ist derselbe. Wenige Schiffe haben nur 1,25 Meter Tiefgang. Da die Hurley zum Selbstausbau angeboten wurde, besonders auf die Qualität achten; auch die Aufteilung ist oft unterschiedlich. Gravierende Probleme sind nicht bekannt.

Ein Drittel der Zeit für Planung, eins für Beschaffungen und ein Drittel für den Bau der Hurley

Angefertigt hat er den Schrank Monate bevor er eingebaut wurde. Und er passte genau. „Dazu musst du zum Beispiel auch genau beachten, wie sehr die Beschläge aufbauen. Der Holzbau muss ebenfalls auf den Punkt passen“, berichtet der Eigner. Und ja, es passt. Der Versuchung, alles erst mal herauszureißen, muss man jedoch widerstehen: „Das Schiff stand ja auf dem Trailer während des Refits. Wenn du da strukturelle Bauteile entfernst, verzieht es sich.“ Also baut er Stück für Stück vom Bug zum Heck. Da zeige sich auch die Wichtigkeit von Planung. Denn man müsse immer schon wissen, was als Nächstes kommt, um darauf vorbereitet zu sein. Andernfalls passen nachher irgendwelche Bauteile nicht zusammen.

So arbeitet sich Messner Stück für Stück durch das Schiff. Er plant, recherchiert nach Teilen und baut. „Die Beschaffung dauert genauso lange wie das Planen und das Bauen. Die Pandemie hat bei der Teileverfügbarkeit nicht unbedingt geholfen. Und ich habe keine Kompromisse gemacht, habe lieber abgewartet und zwischenzeitlich was anderes erledigt“, so der ambitionierte Bastler. Er fügt hinzu: „Da hat es echt geholfen, dass ich teilweise ein Dutzend Teilprojekte laufen hatte. Irgendwo ging es immer vorwärts, auch wenn hier und da Teile fehlten.“

Und so wird die Hurley einmal auf links gedreht. Der Motor kommt raus zum Refit, der Motorraum wird kernsaniert, alles ist jetzt sauber und perfekt isoliert. Natürlich auch gut ausgeleuchtet. Stichwort Elektrik: Die wird ebenfalls gänzlich erneuert. Und obwohl sich der Eigner als „elektrotechnisch nicht besonders begabt“ bezeichnet, ist das Ergebnis beeindruckend. Die meisten Werften wären wohl erfreut, wenn ihre elektrischen Systeme ähnlich übersichtlich und ordentlich verlegt wären. Solarzellen und Wind­generator sorgen unterwegs für genügend Strom. Der wird in einem Akku direkt vor dem Niedergang in der Bilge gespeichert. Das ist der Ort, den die Werft sich dafür überlegt hat: tief und in der Schiffsmitte. So trage der Akku zur Stabilität bei.

Auf der Hurley ist Platz für vier zum Sitzen, für zwei zum Leben

Übrigens befindet sich laut Werftprospekt auch der Motor zu 80 Prozent unter der Wasserlinie und sorgt so ebenfalls für aufrichtendes Moment. Da passt es ins Bild, dass das Deck aus einer Schaumsandwich-Konstruktion besteht. Auch das senkt das Gewicht. Der Rumpf selbst ist massiv laminiert im Handauflegeverfahren. Zusammengefügt werden die beiden unter der sehr soliden Gummischeuerleiste. Natürlich wird das Ganze innen überlaminiert – der Spiegel ist Teil des Rumpfes. Das alles macht die Konstruktion steif und dicht.

Im Inneren ist der Salon optisch unterteilt worden durch geschickt in den Sichtachsen platzierte Abtrennungen. So gibt es achtern die Pantry und die Navi, die man sogar als solche nutzen kann, und davor dann eben den Salon. Hier ist Platz für vier zum Sitzen, aber im Wesentlichen für zwei zum Leben. Bequem auf die Bänke gefläzt, könne man prima auf dem Tablet fernsehen. Das Tablet lässt sich auf der einen Seite der Sichtwand in der Navi eben dafür nutzen. In der Halterung auf der anderen Seite wird es zum Entertainment­gerät.

Eine Kleinigkeit, die aber die Herangehensweise Messners zeigt: Wie kann man welchen Platz optimal nutzen? Stunde um Stunde muss er mit dem Austüfteln solcher Details verbracht haben. So entsteht ein Interieur, das seinesgleichen sucht. Ein Acht-Meter-Boot mit dem Ausbau einer Yacht, dessen Qualität sich auch nicht vor den Großen des Interieurbaus zu verstecken braucht. Gediegene, matte Oberflächen, nirgendwo halbe Lösungen, alles ist perfekt verarbeitet. Das baut keiner mehr in der Größe. Schon gar nicht voll customisiert, genau passend zu den Anforderungen des Eigners. Wahrlich besonders.

Hurley als Produkt eines niederländisches Serienbaus

Dabei ist die Hurley 800 eigentlich ein Produkt des Serienbaus. Ihre Geschichte beginnt als Junker 26 im Jahr 1977. Der Entwurf von Arne Borghegn trifft einen Nerv. In den folgenden vier Jahren entstehen in Dänemark 146 Stück. Das ist schon recht ordentlich. Ab 1981 liefert die Bauwerft Holstebro Plastværk weitere knapp 100 Schiffe fix und fertig ausgebaut an die Werft Holland Yachting, die den Vertrieb der Schiffe übernimmt und der Yacht den Namen Hurley 800 verleiht.

Die Einheiten aus dänischer Produktion haben einen Bukh-Diesel und 1.400 Kilogramm Eisenballast sowie ein Schaumsandwich im Deck. Ab 1985 wird die Yacht durch die Holländer in Eigenregie gebaut. Dabei werden die GFK-Arbeiten an wechselnde Werften vergeben. Sogar Conyplex in Medemblik, heute Contest Yachts, baut einige Rümpfe. Der Ballast wird auf 1.250 Kilogramm reduziert, und es wird neben dem Standardtiefgang von 1,40 Meter auch eine Variante mit 1,25 Metern und gleichem Ballast angeboten. Weil leichter und aus den Niederlanden, wurde die Hurley fortan von einem Vetus-Zweizylinder angetrieben.

So entstehen immerhin im Laufe der Jahre weitere 160 Schiffe. Bei Baunummer 402 ist Schluss. Da gehören die Rechte schon Jachtbouw de Eemhof in der Nähe von Almere. In späteren Jahren wurde das Schiff mit einem etwas anderen Interieurlayout auch als Hurley 830 angeboten. Der Rumpf freilich war derselbe, denn der war ja auch gut. Etwas mehr Schwung im Spiegel, und schon war das Schiff an Deck 30 Zentimeter länger. Der lange Kiel und das Ruder am Vollskeg sorgten für gutmütiges Seeverhalten. Die Idee eines soliden Schiffes zeigt sich auch bei den Laminatstärken: 14 Millimeter unterhalb der Wasserlinie, 11 darüber. 18 Millimeter sind es im Kielbereich, gar 25 in der Kielsohle. Massivlaminat wohlgemerkt.

Das ist bekannt: Eine Hurley macht wenig Probleme

Im Deck sind an den Stellen, wo Beschläge platziert sind, 6 Millimeter dicke Aluplatten eingelegt. Weiche Decks sind eigentlich unbekannt. So, wie generell wenig Problematisches zu hören ist von den Hurleys. Die Prospekte aus den achtziger Jahren weisen dann auch alle auf den guten Wiederverkaufswert hin. Wohl zu Recht. Denn auch die Eigner sind treue Seelen. Eine aktive Gemeinschaft hat sich gebildet, zumindest in den Niederlanden. Die liebt ihre Boote. In einem Forum fragt ein Interessent, ob man denn mit einer Hurley um das Kap Finisterre segeln könne. Die Antwort eines Eigners ist deutlich: Wenn sie in gutem Zustand ist, kannst du damit überall hin fahren.

Das hat auch Eigner Messner vor. Er ist seit Langem Fan der Marke Subaru. Als Mitglied im Subaru Club Deutschland hat er viele Kontakte nach Japan: „Da will ich hin. Ist ein super Segelrevier dort. Und chartern geht da nicht, soweit ich weiß. Also auf eigenem Kiel.“ Seine „Big Liz“ kann das. Sie ist in gutem Zustand. Alle Beschläge sind frisch, ein neuer Mast ist bestellt, und auch sonst ist alles fein. Die Größe sei kein Pro­blem, schließlich käme man mit einem kleineren Schiff viel besser mit den Menschen vor Ort in Kontakt.

Hurley hat drei Zielgruppen

Doch auch für den, der nicht so ferne Ziele verfolgt, kann die Hurley ein guter Begleiter sein. Die solide Bauweise, der hohe Ballastanteil, das tiefe co*ckpit und die gelungene Aufteilung im Inneren sprechen dafür. Sie bietet immerhin 1,83 Meter Stehhöhe, einen separaten WC-Bereich und ausreichend große Kojen. Damit eignet sich die Hurley im Besonderen für drei Zielgruppen: ältere Eignerpaare, die sich nicht mehr so weit von daheim wegbewegen wollen, aber dennoch beim Segeln bleiben. Der Komfort ist ausreichend, die Segeleigenschaften sicher, die Kräfte auch im Alter beherrschbar.

Die zweite Zielgruppe sind junge Paare, die vielleicht gerade mit dem Segeln beginnen und ein Schiff suchen, das zunächst wenig Fragen aufwirft und solide daherkommt, und das deswegen, wenn das Fernweh größer wird, immer noch in der Lage ist, ein treuer Begleiter zu sein. Die dritte Zielgruppe sind junge Familien. Der erste Nachwuchs ist da, und das Leben benötigt so viel Zuwendung, dass das Schiff einfach und unkompliziert sein muss. Auch das kann die Hurley. Hier zeigt sich, dass Konstrukteur Borghegn einen wirklich vielseitigen Entwurf aufs Papier gezaubert hat. Das hat auch Sven Messner erkannt und aus seiner „Liz“ ein Juwel gemacht.

Technische Daten der Hurley 800

Hurley 800 “Big Liz”: Kompaktkreuzer für die Weltreise (8) | Zeichnung: YACHT

  • Weitere Typennamen: Junker 26, Hurley 830
  • Konstrukteur: Arne Borghegn
  • Rumpflänge: 8,00 m
  • Breite: 2,70 m
  • Tiefgang: 1,40 m
  • Gewicht: 3,2 t
  • Ballast: 1,4 t/44 %
  • Segelfläche: 35,1 m2
  • Segeltragezahl: 4,2
  • Motor: Bukh 10 PS o. Vetus 11 PS
  • Stehhöhe: 1,85 m
  • Koje Vorschiff: 1,90 x 1,70 m
  • Salonkojen: 2,05 x 0,70 m
  • Hundekoje: 1,95 x 0,65 m

Weitere besondere Boote:

  • “Forelle von Kollmar”: Rückkehr eines historischen Gaffelkutters nach Büsum
  • „Wanderer III“: Ein Fahrtenyacht-Klassiker und der 96. Längengrad
  • “Gloria”: Retro-One-Off mischt klassischen Holzbau mit Hightech

Zur Startseite

Hurley 800 “Big Liz”: Kompaktkreuzer für die Weltreise (2024)

References

Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Lidia Grady

Last Updated:

Views: 5813

Rating: 4.4 / 5 (45 voted)

Reviews: 84% of readers found this page helpful

Author information

Name: Lidia Grady

Birthday: 1992-01-22

Address: Suite 493 356 Dale Fall, New Wanda, RI 52485

Phone: +29914464387516

Job: Customer Engineer

Hobby: Cryptography, Writing, Dowsing, Stand-up comedy, Calligraphy, Web surfing, Ghost hunting

Introduction: My name is Lidia Grady, I am a thankful, fine, glamorous, lucky, lively, pleasant, shiny person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.